Lebensraum (Deutsch)

—Das Heer marschiert, das Heer, das Heer. —Das Heer marschiert, und wohin zieht es? —Das Heer zieht in den Krieg. Das Heer zieht in den Krieg zum Siegen. —Wen muss das Heer besiegen? —Das Heer muss alle anderen besiegen. —Und nach dem Sieg, was macht das Heer? —Das Heer gibt seinem Volk dann neue Grenzen. Kohlen und Schätze und offene Städte, deren Namen es nicht kennt. —Und Untermenschen und Besiegte und Existenzen, die des Lebens unwert sind, wohin führt sie das Heer? —Das Heer führt sie an andre Orte; nach Birkenau, nach Treblinka, nach Chelmno, nach Guantanamo und Belsen. —Und wenn das Heer sie dann geführt hat? Das Heer zieht in den nächsten Krieg zum Siegen. Der Krieg ist ja des Heeres Heimat. Und das Heer hat keine andre Heimat für die Rückkehr. In Reihen mähen sie das Gras, unter der Erde finden sie ihren Schlaf fernab viele Wegstunden weit den Schlaf unter Farnen und Aschenkraut. —Für nichts und wieder nichts, sagte die Stimme. Wie schon so oft, als es geschehen war und auch so oft wie es vergessen war. Für nichts, als ob das Mädchen träumte, als ob ein Mädchen träumen würde es holte aus den Wunden rote Lippenfarbe. Und junge Sterbliche, im Schutz der Nacht eilig noch ein paar Worte kritzelnd, die Glut der Zigarette in der Hand verbergend, wenden in diesem Dunkel die Gesichter dorthin, wo sie erscheinen werden. —Sie kommen. Jetzt kommen sie, die Toten. Die Toten in einer Phalanx, Mann für Mann. —Wen sollen denn die Toten nun besiegen? —Die Toten sollen die Gestorbenen besiegen. —Und nach dem Sieg, was machen sie, die Toten? —Die Toten geben ihrem Volk dann neue Gräber. Den Toten einen neuen Ort; ein neues Land den Toten, das für alle Raum hat. Chorika Übertragen: Birgit Hildebrand – Susan Binderman